Zum Anfang Offenbach oder Stuttgart


PRESSECLUB Oliver Elser berichtet über das Projekt "Making Heimat" zur Architektur-Biennale in Venedig

WIESBADEN. Noch bis in den November dieses Jahres kann man das alles selbst sehen - in Venedig. Dort findet die diesjährige Architektur-Biennale statt. Sie gibt über das Auskunft, was Architekten derzeit als das Gültige in Sachen der Baukultur ansehen. Seit 1980 ist das erst der Fall, aber in diesem Jahr wartet der deutsche Beitrag mit einem Thema auf, das aktueller nicht sein könnte. Das Deutsche Architekturmuseum hat den Auftrag bekommen und ein hochaktuelles Thema, das von nicht wenigen jedoch auch angezweifelt wird, eindrucksvoll in Szene gesetzt.

Ausstellungsgebäude aus den 30er Jahren

Im Presseclub in der Villa Clementine war nun Oliver Elser zu Gast, um darüber Auskunft zu geben. Elser ist Kurator am Deutschen Achitekturmuseum in Frankfurt, gleichzeitig auch renommierter Architekturkritiker und Mitglied des Projektteams "Making Heimat", das in diesem Jahr den Pavillon in Venedig bespielt. Das ist keine einfache Aufgabe, schließlich hat man es mit einer ziemlich vorbelasteten Architektur zu tun, die Anfang des 20. Jahrhunderts erbaut wurde. Doch das ist nicht das Problem, vielmehr die Umgestaltung des Ausstellungsgebäudes in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Deutschland wollte es so, herausgekommen ist ein Bau der faschistischen Zeit, ein monumentaler Klotz, der bei jeder Ausstellung in den vergangenen Jahren selbst zum Thema gemacht wurde, um darin das zu zeigen, was die Bundesrepublik heute darstellt. Eine nicht einfache Aufgabe, der Architekturkenner weiß um dieses Problem der Mit-Inszenierung. Für dieses Jahr nun hatte man sich etwas Besonderes vorgenommen. Es jährt sich in diesen Tagen die Aussage der Bundeskanzlerin, die verkündete: "Wir schaffen das!" Das ist auch das Thema, das der Kurator der Biennale ausgegeben hatte: "Reporting from the front" nennt er sein Motto, das Plakat der Biennale zeigt eine Frau auf einer Leiter, die ins Leere blickt - nur scheinbar, denn wenn wir auf der Leiter stünden, würden wir genau das sehen, was wir von unserem ebenerdigen Standort aus eben nicht sehen können.

Wie kann also Integration eigentlich funktionieren, das war die Frage des Ausstellungsteams. Man orientierte sich an der Veröffentlichung von Doug Saunders: "Die neue Völkerwanderung" hatte er sein Buch benannt, in dem er sich fragt: Welche Stätten - oder eben auch Städte - sind geeignet für die Integration? Nicht für immer, sondern für den Anfang. Und genau dieser Frage ist das Ausstellungsteam nachgegangen. Zehn Punkte hat es entwickelt, welche Orte sich eignen für den Übergang in unsere Gesellschaft. Von den geringen Mieten bis hin zur Nähe der Wirtschaft, von bestehenden Selbsthilfeorganisationen bis hin zu den "lockeren" behördlichen Auflagen, um Leben entstehen zu lassen. Damit hat man Venedig bespielt - und dann noch den Architektur-Klotz mit vier Öffnungen für den Besucher präsent gemacht. So wie zum Beispiel - nun bekommen Sie keinen Schreck - Offenbach. Das ist für die Ausstellungsmacher das wahre "Arrival Country", wo sich "Making Heimat" am besten realisieren lässt. Oder Stuttgart - das hat so viele Ausländer wie der Berliner Stadtteil Neukölln. Überraschungen gibt es eben immer wieder.

Wiesbadener Kurier, 07.09.2016

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