Heidemarie Wieczorek-Zeul redet im Presseclub über ihre Karriere und das Leben nach der Politik


Von Ingeborg Toth

WIESBADEN - Politik sei für sie „die Verhältnisse nie so zu nehmen, wie sie sind, sondern sie zu verändern“. Sagt Heidemarie Wieczorek-Zeul, die vor zehn Jahren ein Buch geschrieben hat über ihre Jahre als Bundesministerin für Entwicklungshilfe. Jetzt, mit 75, plaudert sie im Presseclub über ihr neuestes Werk „Gerechtigkeit und Frieden sind Geschwister“ mit dem Autor und Moderator Hans Dieter Schreeb. In der Bundesregierung hatte Wieczorek-Zeul von 1998 bis 2009 die Chance, etwas zu bewegen, als Ministerin für Entwicklungshilfepolitik. Erst unter Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD), dann unter Angela Merkel (CDU).

Die Tochter eines Gemüsehändlers aus Frankfurt-Seckbach war zehn Jahre Lehrerin in Rüsselsheim, wurde Bundesvorsitzende der Jungsozialisten, zog in das Europaparlament ein und kam 1987 nach Wiesbaden. Im gleichen Jahr wurde sie zum ersten Mal in den Bundestag gewählt.

Als Schülerin ging sie Ende der 50er Jahre mit der Klasse in ein Frankfurter Kino und sah den Dokumentarfilm „Die Todesmühlen“. In Auschwitz von den Amerikanern gedreht. „Ein furchtbarer Schock, der mir auf der Seele lag.“ Keiner habe zuvor auch nur ein Wort über das dunkelste Kapitel Deutschlands verloren. Noch schlimmer: „Hinterher wurde im Unterricht auch nicht darüber gesprochen.“ Erst als sie Fritz Bauer kennenlernte, Generalstaatsanwalt in Hessen und Ankläger im Frankfurter Auschwitz-Prozess, erfuhr sie das ganze Ausmaß des Unrechts. „Man muss das weitertragen – damit man weiß, wozu Menschen imstande sind.“ Die zentrale Begegnung in ihrem Leben – Willy Brandt. Ein Mann, der auf unerklärliche Weise immer Zeit gehabt habe. Ein Phänomen. Schreeb fand, er sei in ihrem Buch „liebevoll gezeichnet“.

Dreimal hat „Heidi“ Wieczorek-Zeul ihren Wiesbadener Bundestagswahlkreis direkt gewonnen. Im Kabinett zu sitzen hielt sie nicht davon ab, die Interessen der Stadt zu vertreten. Etwa, als der Kabinettskollege, Bundesinnenminister Otto Schily, 2004 das halbe Bundeskriminalamt samt Chefetage nach Berlin verlegen wollte. Die Wiesbadener erinnern sich.

Wieczorek-Zeul sieht Fortschritte in Afrika. Das Engagement gegen Aids, die Bekämpfung der Armut machten Fortschritte. Die Entschuldung der ärmsten Länder („Ein Ergebnis unseres Engagements bei der Weltbank“) wurde einer ihrer größten Erfolge. Was auch noch geschah: „Wir haben in Ghana ein Steuersystem aufgebaut. Die Länder Afrikas sollen auch Mittel im eigenen Land mobilisieren können.“

Bedeutungsverlust, als sie 48 Jahre nach Eintritt in die SPD im Herbst 2013 aus dem Bundestag ausschied? Darunter leidet die „rote Heidi“ nicht. Sie setzt sich für ein Konzept „Migration und Entwicklung“ ein, schlägt temporäre Einreise der Migranten vor, die nach ihrer Ausbildung wieder nach Hause reisen. „Das Engagement geht weiter.“ Vom Bergkirchenviertel aus, wo sie vor eineinhalb Jahren hinzog. „Wenn ich die Balkontür aufmache, kann ich mich mit dem Nachbarn auf der anderen Straßenseite unterhalten.“

Wiesbadener Kurier, 26.01.2018

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