Er möchte bald wieder an den Amazonas
Zivilisation. Nach diesem Abend im Presseclub hatte mancher Zweifel, ob dieser Begriff durchgehend positiv zu bewerten ist. Mitglied Stefan Dienst hatte vor vollem Haus über seine 14 Jahre in Nordbrasilien berichtet, in denen er an den Rändern des Amazonas die Sprachen indigener Völker erforscht hat. Schnell änderte sich seine Tätigkeit, als sich herausstellte, dass nur wenige Beamte der Behörde für die indigenen Völker eine der insgesamt 150 Sprachen beherrschen. Dienst wurde zum Dolmetscher, Sozialhelfer, Ethnologen und Freund der Menschen im Amazons-Dschungel.
Sprachlich war er auf seinen Aufenthalt glänzend vorbereitet. Nach einem Studium der Afrikanischen Philologie, der Turkologie und der Vergleichenden Sprachwissenschaften in Mainz wechselte er für seine Promotion nach Melbourne. Die technische Ausstattung für die Erforschung der Grammatik der Kulinasprache war herkömmlich. Bei der Reise nach Brasilien hatte Dienst einen Kassettenrecorder im Gepäck, den ihm sein Professor mitgegeben hatte.
Über die Jahre hat Dienst erlebt, wie die Einflüsse der Zivilisation das Leben der indigenen Völker verändert hat. Alkoholismus und Drogenkonsum, Wechsel vom Dorf in die Stadt mit Verelendung am Rande der Sielungen, Prostitution und Verlust der Sprache. Goldsucher, Landräuber und Kokainschmuggler durchziehen das Land an der Grenze zu Peru und Kolumbien. Noch heute gebe es Völker, die sich gänzlich vor anderen Menschen verborgen hielten. Er unterscheidet als Zwischenform die traditionell lebenden Völker, die von Jagd und Ackerbau leben, mittlerweile aber einen Teil ihrer Erträge gegen Produkte benachbarter weißer Siedlungen eintauschen. Bei den Teilassimilierten gewinnt Geld an Bedeutung, Fernseher halten Einzug in die Hütten, die statt mit Palmblättern nun von Wellblech bedeckt sind.
Der gebürtige Wiesbadener Dienst unterrichtet heute Deutsch für Amerikaner in der Clay-Kaserne in Erbenheim. Er könnte aber auch in fünf weiteren Sprachen Unterricht geben, die er beherrscht; nicht gerechnet die indigenen Dialekte.
Ein großer Wunsch: Er möchte bald wieder an den Amazonas.
