Die Wiesbadener Journalistin Theresa Breuer filmt afghanische Frauen bei einem mutigen Rekordversuch


WIESBADEN - In den nächsten Wochen startet in Afghanistan eine ungewöhnliche Expedition. Junge afghanische Frauen werden den höchsten Berg des Landes, den Noshaq, erklimmen, dessen Gipfel auf 7500 Metern Höhe liegt. Mitten unter ihnen die Wiesbadener Journalistin Theresa Breuer und ihre US-Kollegin, die Fotografin und Filmemacherin Erin Trieb. Beide begleiten die Afghaninnen und dokumentieren den Rekordversuch, der zugleich eine politische Demonstration darstellt: Noch nie haben afghanische Frauen den höchsten Berg ihres Landes bezwungen, in dem Frauen wie in kaum einer anderen Region unterdrückt und herabgewürdigt werden. Theresa Breuer hat ihr Projekt zu Beginn dieses Jahres im Presseclub Wiesbaden (PCW) vorgestellt und viele Gäste mit ihren Schilderungen fasziniert. Sie wurde mit einem Recherche-Stipendium des PCW unterstützt.

In Afghanistan sagt man „nur verrückte Menschen gehen in die Berge“. Ist Ihr Vorhaben verrückt, Frau Breuer?
Das kommt auf Ihre Definition von verrückt an. Es ist in jedem Fall die größte Herausforderung, der ich mich je gestellt habe: Ich habe noch nie einen Film gedreht, ich bin keine Bergsteigerin und ich lebe in einem Land, in dem ich wöchentlich Terroranschlägen ausweichen muss.

Was möchten die jungen Afghaninnen mit ihrer Expedition beweisen?
Frauen in Afghanistan werden nie gefragt: Wovon träumst du? Wie stellst du dir deine Zukunft vor? Was erhoffst du dir vom Leben? Frauen wird beigebracht, zu gehorchen und Regeln zu befolgen, die ihre Familien vorgeben. Unsere Bergsteigerinnen möchten beweisen, dass Frauen durchaus ihren eigenen Weg gehen können. Und dass Frauen auch dann Widerstände überwinden können, wenn sich ihre Familien und die Gesellschaft gegen sie stellen.

Wie hat sich Ihr Denken über das Projekt in den vergangenen zwölf Monaten verändert?
Ich arbeite seit vielen Jahren in Ländern wie Irak, Iran und Ägypten. Länder, in denen Frauen oft sehr viel weniger Rechte haben als Männer. Aber ich war noch nie in einem Land, das seine Frauen so fürchterlich behandelt wie Afghanistan. Mein Respekt für die jungen Bergsteigerinnen steigt jeden Tag. Ihr Mut kommt nicht daher, den höchsten Berg Afghanistans zu besteigen. Ihr Mut kommt daher, sich jeden Tag gegen eine Gesellschaft zu stellen, die ihre Frauen bei vermeintlichem Fehlverhalten misshandelt, vergewaltigt und verstümmelt.

Keine der Teilnehmerinnen hat so etwas vorher je gemacht, viele sind sportlich vorher nie in Erscheinung getreten. Wie zuversichtlich sind Sie, dass es trotzdem ohne Verluste klappen wird, den Berg zu bezwingen?
Verluste kann es immer geben. Gegen Erdbeben, Lawinen und Gletscherspalten können wir nichts tun. Aber die jungen Frauen trainieren jeden Tag und sie trainieren hart. Einen Berg zu bezwingen erfordert ebenso viel mentale wie körperliche Kraft. Und unsere Bergsteigerinnen wollen nichts mehr, als der Welt zu beweisen, dass sie schaffen können, was ihnen niemand zutraut.

Was haben Sie selbst unternommen, um unterwegs nicht schlappzumachen?
Meine Partnerin und ich trainieren sechs Tage die Woche. Oft bedeutet das, dass wir morgens um fünf für ein paar Stunden in den Bergen rund um Kabul wandern gehen: auf dem Rücken 20 Kilogramm Gepäck und in der Hand einen Elektroschocker, falls Männer kommen, die uns belästigen. Bisher mussten wir ihn zum Glück nicht einsetzen.

Welche Hoffnung verbinden Sie als Journalistin mit dem Vorhaben?
Die jungen Frauen sagen immer wieder, dass sie Vorbilder für andere Frauen sein wollen, die in patriarchalischen Gesellschaften leben. Ich hoffe, dass ich ihnen eine Stimme geben kann. Dass sie ihre Geschichten erzählen können und damit andere Frauen inspirieren. Außerdem hätte ich natürlich auch nichts dagegen, einen Filmpreis zu gewinnen.

Ist es nicht unprofessionell, sich als Journalistin selbst zur Nachricht zu machen?
In dem Film selbst werden meine Partnerin und ich nicht vorkommen. Wir müssen nur im Vorfeld die Werbetrommel rühren. Wir haben unsere gesamten Ersparnisse und wahrscheinlich auch einen Teil unseres Verstands in den Film gesteckt – deshalb haben wir die Kickstarter-Kampagne ins Leben gerufen, um zumindest einen Teil unserer Ausgaben wieder reinzubekommen. Es wäre schon nicht schlecht, wenn wir nach der Expedition nicht wieder bei unseren Eltern einziehen müssten (so sehr ich sie liebe, aber ich bin eben auch schon 31 Jahre alt).

Wie gefährlich schätzen Sie die Gefahren durch die Natur, Terroristen oder Unfälle ein?
Die Natur ist immer unberechenbar. Unfälle lassen sich nie ausschließen. Und die Terroristen versuchen wir fernzuhalten, indem wir die Details der Expedition geheim halten. Es ist also alles nicht ungefährlich. Wir haben aber ein Superteam, das uns bei unserem Vorhaben unterstützt: Unter anderem eine ehemalige Soldatin der norwegischen Sondereinsatzkräfte, die auf Bergkriegsführung spezialisiert ist und in ihrer Freizeit 8000-Meter-Berge erklimmt. Ich denke, wir könnten nicht besser vorbereitet sein.

Sie sammeln derzeit auf der Internetplattform „Kickstarter“ Geld. Wie finanziert sich das Projekt und welche Unterstützung brauchen Sie noch?
Bisher finanzieren meine Partnerin und ich alles selbst – und haben etwa den Gegenwert einer kleinen Eigentumswohnung in das Projekt gesteckt. Deshalb brauchen wir jede Unterstützung, die wir bekommen können.

Das Interview führte Stefan Schröder.

Wer das Unternehmen im Netz verfolgen will, kann dessen Auftritte bei Instagram: @there sa_breuer oder @erintrieb sowie auf Facebook unter Theresa Breuer oder Erin Trieb verfolgen.

DIE FINANZIERUNG: UNTERSTÜTZER GESUCHT
Die Wiesbadener Journalistin Theresa Breuer und die amerikanische Filmemacherin Erin Trieb finanzieren ihr Projekt „Ascend“ aus eigener Tasche und sind auf Zuwendungen von dritter Seite angewiesen. Noch bis Ende nächster Woche ist daher auf der Seite https://www.kickstarter.com/pro jects/erintrieb/an-uphill-battle# eine sogenannte Kickstarter-Kampagne platziert, über die man das Projekt direkt finanziell unterstützen kann.

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