Claus Kleber spricht im Presseclub Wiesbaden über die verschiedenen Herausforderungen des Journalismus


Von Ingeborg Toth

WIESBADEN - Die Streitschrift „Rettet die Wahrheit“ hat 96 Seiten. Autor ist einer der glaubwürdigsten Fernsehjournalisten dieses Landes: Claus Kleber vom „Heute Journal“. Das sei, so Kleber im Literaturhaus, ein „lernendes System“. Bemüht um sorgfältige Recherche und Dokumentation, Sachlichkeit bei der Berichterstattung. Trotzdem passierten Fehler, aus denen man lerne. Auch er. So findet er heute, auf dem Cover seines Buches müsste „Rettet die Fakten“ stehen. Mit Blick auf den haltlosen Vorwurf, die gesamte Medienlandschaft sei gesteuert und das ZDF allemal, brauche es mehr Kenntnis der Tatsachen. Er sei überzeugt, dass unsere Demokratie nicht ohne unabhängige Medien überleben könne. Allerdings müssten Journalisten auch die Zeit bekommen, sich mit komplizierten Sachverhalten auseinanderzusetzen. Sie müssten verstehen und durchschauen, als Voraussetzung für Wahrheit und Klarheit, für Haltung. Dem Publikum gibt er den Rat, sich an „die Marke zu halten, die man als vertrauenswürdig erkannt hat“.

Hierzulande sieht Kleber immer noch einen „täglichen Standard für anständigen Journalismus“ – weit über ARD und ZDF hinaus. Sein Gesprächspartner Stefan Schröder, Chefredakteur dieser Zeitung, nimmt den Ball auf: „Jetzt könnten Sie sagen, dazu gehören auch viele deutsche Tageszeitungen.“ Genau dies, so Kleber, wolle er ausdrücken. Gute lokale, regionale und nationale Blätter, denen man im Grunde traue, brauche das Land: „Dieses Landschaftbild sollte nicht geschwächt werden.“ Es wäre falsch, so sagt der bekannte Nachrichtenmann des ZDF, „das, was man an Qualität hat, zu dezimieren“.

Kleber sagt, seine Redakteure gehörten zu den aufmerksamen Zeitungslesern. „Wir haben kein Interesse daran, dass es den Printmedien schlecht geht.“ Diese Kultur des Sich-Informierens, die Art, politischer Bürger zu sein, die verschwinde ja nicht nur auf einem Sektor – sie sterbe insgesamt. Die Zukunft werde weder im „linearen Fernsehen“ – wie derzeit in Fernsehzeitschriften ausgedruckt – stattfinden noch im Zeitungs-Geschäftsmodell von Abonnement und bedrucktem Papier im Briefkasten. Die Blätter mit regionaler Verankerung hätten nicht den öffentlich-rechtlichen Rundfunk als Konkurrenten. Alle, die mit Nachrichten handelten, müssten Facebook fürchten. Ein Mark Zuckerberg biete möglicherweise in Zukunft ein Medium, das politische Analysen enthält, die Nachricht bringt, dass das Baby da ist und wie das Fußballspiel des SV Wehen Wiesbaden ausging. Kleber mit Blick auf seinen Gesprächspartner Schröder: „Bis dahin müssen Sie und wir unsere Marke etabliert haben.“ Die als zuverlässiger gelten müsse, die Nachrichten besser verarbeite und verständlicher formuliere. Der Konsument müsse wissen, wo er die „faire Zusammenfassung eines Problems“ bekomme.

Bei allem, was die Arbeit von Journalisten schwierig mache: Courage brauchten sie nicht. Kleber: „Wir leben in einem System, in dem Mut nicht wirklich verlangt wird. Keiner kommt bei uns hinter Gitter, wenn er eine freche Frage stellt.“ Er erhalte Zuschriften wie: „Das war aber mutig, wie Sie de Maizière befragt haben.“ Vielmehr könne er sich in seiner Redaktion nicht blicken lassen, „wenn mir nicht ab und zu ein argumentativer Erfolg gelingen würde“. Er verweist auf Länder, in denen das nicht mehr gehe – wie die Türkei. „Was wir hier haben, ist keine Selbstverständlichkeit.“ Kleber legt in der Veranstaltung des Literaturhauses, seines Fördervereins und des Presseclubs den Zuhörern das Buch „Verräter“ von Can Dündar ans Herz. Der war bis vor kurzem Chefredakteur der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“. Dort ist investigativer Journalismus zum Verbrechen geworden. „Ich bin froh, das wir in einem Land leben, in dem man den Mut eines Can Dündar nicht braucht.“

Wiesbadener Kurier, 21.11.2017

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