Bericht von der Pragreise 12. bis 16. September 2021


Tägliche Triathlons durch die Goldene Stadt

Bericht von der Pragreise des Presseclubs – 12. bis 16. September 2021

Eine Stadt muss man sich erlaufen. So lautete die Devise meines Professors für Mittelalterliche Geschichte. Er hätte an unserer Expedition nach Prag seine helle Freude gehabt. Die Zählungen gehen auseinander: Waren es 30 oder eher 40 Kilometer? Fast ein Marathon also. Manche sprachen von täglichen Triathlons, wobei die Disziplinen Laufen, Essen, Staunen heißen könnten.

Sicher ist, dass die Reise des Presseclubs vom 12. bis 16. September 2021 nach Prag in vielerlei Hinsicht historisch zu nennen ist. Drei Anläufe brauchte es, bis die Pandemie die Goldene Stadt aus ihren Fängen entließ und das auf 14 Teilnehmer verkleinerte Team anreisen konnte. Wir vermuten, dass es selten einen Mitreisenden wie Otto Diepholz gegeben hat, der im 93. Lebensjahr so gut wie alle Herausforderungen an Treppen, Kopfsteinpflaster, Bordsteinkanten gemeistert hat. Zu vermuten ist, dass „Reiseleiterin“ Dagmar Höferova-Giesse die doppelte Kilometerzahl zurückgelegt hat, um zum einen die Herde neugieriger, red- und saumseliger Pragfreunde zusammenzuhalten. Zum anderen galt es im Prag der Nach-Pandemie-Zeit kurzfristig geschlossene Lokale durch geöffnete im Reiseplan zu ersetzen, Programmpunkte umzuheben, neue Preise auszuhandeln und Termine zu bestätigen. Das Ergebnis war eine lückenlose Kette von Besichtigungen, Events, Begegnungen und Verköstigungen.

Prags Oberbürgermeister Zdenek Hrib (Piratenpartei) nahm sich 30 Minuten Zeit, um mit den Gästen aus Deutschland über Tourismusfallen, Nachhaltigkeit und öffentlichen Personennahverkehr zu diskutieren. Er selbst wohnt nicht in der märchenhaft schönen Prager Altstadt, sondern fährt jeden Morgen mit der Metro aus einer Plattenbausiedlung zur Arbeit ins Zentrum. Selbst ein Pirat trägt im Dienst einen Schlips, daher freute sich das Stadtoberhaupt über die Clubkrawatte, die ihm nebst einem Bildband Wiesbadens überreicht wurde. Markus Klinger, Kulturattaché in der Deutschen Botschaft, ließ die Delegation zwar nicht ins Allerheiligste, die Säle nebst Genscher-Balkon im ersten Stock des Palais Lobkowitz, gab aber Einblick in die Geschichte des Hauses auf der Prager Kleinseite. Für ein Gruppenbild mit der Skulptur „Quo vadis“ des Künstlers David Cerny im Park der Botschaft ließ sich der Mitarbeiter des Außenministeriums sogar als Fotograf anheuern. Sein Honorar: die Clubkrawatte und ein Parker-Stift.

Dagmar Höferova-Giesse war selbst eine nie versiegende Quelle für Prager Geschichten und historische Ereignisse. Als junge Reporterin des tschechischen Fernsehens hatte sie 1968 den Einmarsch der Ostblock-Truppen in Prag, allen voran die Russen, erlebt. Obwohl sie wenig später in den Westen floh, hat sie die Liebe zur Heimat nie verlassen. Davon profitierte die Reisegruppe aus Mitgliedern des Presseclubs, deren Partnern und Freunden. Dank Alena Hnutova und Marek Hoffmeister, zweier kundiger Stadtführer gerieten die Besichtigungen insbesondere der jüdischen Stadt und des ursprünglich jesuitischen Klementinums zu unterhaltsamen und hintergründigen Lehrstunden. Bei der Gelegenheit erfuhren die Besucher, dass lizensierte Gästeführer wegen der Pandemie und starker illegaler Konkurrenz einen schweren Stand haben.

Weil sie sich von diesen Profis führen ließ, erfuhr die Gruppe stets ein wenig mehr, als die üblichen Hotspots angesteuert wurden - vom Hradschin mit Veitsdom auf der Kleinseite bis zur Neustadt und ihren architektonischen Attraktionen und Denkmälern. Als running gag begleiteten die Skulpturen und Plastiken des urigen Pragers David Cerny die Exkursionen. Mal drehte sich Kafkas Kopf 15 Minuten lang in Schichten um die eigene Achse, musste der Heilige Wenzel unter dem Pferd Platz nehmen, oder riesige Babys krabbelten um das Museum für Moderne Kunst herum. Die Sinne kamen auch anderweitig nicht zu kurz. Servietten-, Speck-, Kartoffel- und Marillenknödel, Entenkeule, Gulasch, Palatschinken, Apfelstrudel und immer wieder Pivo, das tschechische Bier, sorgten für mehr als ausreichende Kalorienzufuhr.

Im Grand Hotel Bohemia wurde die Gesellschaft von einem Mozart-Dinner überrascht, bei dem in einem hauseigenen Konzerttheater exzellente Solisten Arien aus Don Giovanni und Figaros Hochzeit wiedergaben. Am letzten Abend turnten Künstler des Black Light Theatre über die Bühne, zur Überraschung des Publikums auch durch Saalgänge und über Sitzlehnen im Parkett. „Wow“ lautete der Titel des Abends. Er könnte gut als Überschrift für die gesamte Reise dienen.

Stefan Schröder

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»Ich bin Mitglied im Presseclub, weil ich neugierig darauf war, was ein Presseclub so macht und ich mich besser in der Region vernetzen möchte.«


Susanne Löffler, Public Relations, Museum Wiesbaden